Unsere Erfahrungen mit Windelfrei – der Weg zum inneren Frieden bei völliger Hoffnungslosigkeit

Nach all der grauen Theorie erzähle ich heute, welche Erlebnisse die ersten 2 Jahre mit unserem Teilzeit-Windelfrei-mit-Windel-an-Kind für uns bereit gehalten haben.

Mein erstes und einziges Schwangerschaftsbuch, das ich gelesen habe war „Geborgene Babies“ von Julia Dibbern. Darin schreibt sie so eindrücklich über bedürfnis- und bindungsotientiertes Leben mit Baby, dass es für mich eine Art „Basislinie“ im Umgang mit unserem Baby gelegt hat. Diese Basislinie lag weit entfernt von dem, was unsere westliche Industriegesellschaft für Babys vorsieht aber ich war überzeugt und schlafen im Familienbett ab da genauso Bestandteil meiner Vorhaben wie Windelfrei auszuprobieren.

Da ich dann doch Sorgen hatte, der kleine Mensch würde alles vollpieseln, wenn wir ihn ganz nackig ließen entschieden wir – ok, ich entschied uns für Stoffwindeln.

Die Ankunft des kleinen Menschens war komplikationsreich und da ich mich kaum auf den Beinen halten konnte wickelten wir die ersten Tage kommentarlos mit den Pampers, die wir sicherheitshalber doch noch gekauft hatten. Nach 3 Wochen begann mein Kopf langsam wieder zu arbeiten und ich nahm meinem Plan zur Auscheidungskommunikation in Angriff. Einer der Treiber war, dass unser Kind mittlerweile trotz ständigem Wickeln einen dauerroten Popo hatte.

Mir fiel auf, dass unser Sohn während dem Stillen musste und probierte ihn vor dem Stillen abzuhalten. Auf so eine Idee kommen nur Erstlingsmütter. Es wurde mir mit ungeduldigem Hunger-geschrei gedankt.

Also dann: Stillen, abhalten, weiter stillen und es klappte!

Unter den zynischsten Kommentaren hielt ich den Sohn bei jedem Stillen – also ca jede Stunde – über einer Schüssel auf dem Wickeltisch ab und er machte sein Geschäft in die Schüssel.

Ein Auszug der Bemerkungen hierzu:

– Das war jetzt aber Zufall!

– Woher soll das kleine Baby denn wissen, dass es muss?

– Er friert jetzt aber, meinst du das ist gesund?

Positiver Aspekt bei aller Skepsis war, dass der Popo des Kleinen endlich rosa statt rot war und er sich pudelwohl fühlte. Als er die 4 Kilo-Marke überschritten hatte, passten die Stoffwindeln und wir nutzten Wegwerfwindeln nur noch für längere Autofahrten.

So lief es die gesamte Zeit in der ich ihn voll stillte, ungefähr 6 Monate. Er war auch immer mal nackig aber da es noch Winter war ließ ich ihn meist angezogen.

Mit Beikostbeginn nach 6 Monaten bekamen er von den Pipistoffwindeln plötzlich wieder einen roten Popo. Im Sommerurlaub nutzten wir WWW und der Po würde viel besser. Darauf hin verabschiedeten wir uns nach 9 Monaten von den Stoffis. Er blieb ein 90% gewickeltes Kind und wir hielten ihn nach dem Aufwachen, nach dem Stillen, beim Wickeln und wenn er ein Kaka ankündigte ab.

Weiterhin glaubten die Hälfte der Beobachter an den Zufall, im Pekipkurs hielten mich alle für bekloppt, dass ich mein sowieso nackiges Kind auf die Toilette brachte statt es wie alle anderen auf die Matten pinkeln zu lassen. Zitat: „Und er hat da jetzt ECHT in die Toilette gemacht???“.

Mit dem Krabbelstart hatten wir keine großen Abhalte-Schwierigkeiten, allerdings denke ich heute, wir hätten zu diesem Zeitpunkt versuchen sollen, das Töpfchen zu etablieren. Da unser Kind ein Weitpinkler war habe ich ihn mit untergestelltem Töpfchen über dem Waschbecken abgehalten, das hat für uns die meiste Zeit super funktioniert und war schnell sauber zu machen.

Als der Sohn 11 Monate alt war sind wir umgezogen und der Umzug stellte die bis dahin größte Herausforderung dar. Er mochte das neue Bad anscheinend nicht und wollte dort nicht abgehalten werden. Auf dem gewohnten Wickeltisch kamen wir besser zurecht und nach einer Weile verbesserte sich die Situation. Leider wollte er weiterhin nicht allein auf seinem Töpfchen sitzen.

Das wurde zum Problem als er anfing zu Laufen und mich beim Kaka machen lieber nicht mehr dabei haben wollte. Festgehalten zu werden beim Abhalten hat er ab da nicht mehr akzeptiert.

Die Lauflernzeit ist ein recht typisches Alter für eine Windelfrei-Pause und so bot ich 2 verschiedene Töpfchen und einen Toilettensitz, jedes Zimmer und verschiedene Situationen an aber es klappte nicht mehr so gut. Pipi machte er nach dem Aufwachen weiter ins Waschbecken, wobei er auf dem Rand saß. Das große Geschäft ging immer öfter in die Windel.

Im Frühling begann er zur Tagesmutter zu gehen und es wurde ab da unmöglich für uns ihn abzuhalten.

Da es wärmer wurde ließ ich ihn viel nackig und er machte Kaka allein irgendwo in die Wohnung oder den Garten, bevorzugt unter dem Tisch. Pipi drinnen kündigte er mit „Ohoh“ an und holte dann einen Lappen zum wischen, im Garten suchte er sich eine Pipiecke, die er recht zuverlässig nutzte.

Ich war in dieser Zeit sauer, genervt und verzweifelt. Das erste Jahr mit unserem Sohn hätte gezeigt, dass Windelfrei „funktioniert“, dass es keine Spinnerei ist. Und das zweite Jahr mit ihm zeigte uns, dass es bei Ausscheidungskommunikation durchaus zu elementaren Missverständnissen kommen kann.

Er fängt jetzt an zu sprechen und weiß, wann er mal muss. Wir sprechen mit ihm über seine Ausscheidungen, er kann sagen, dass er in die Windel macht. Er geht mit, wenn wir zur Toilette gehen aber wir finden leider keine Möglichkeit, dass er nicht in die Windel macht.

Ich kann ihn ohne Windel lassen und wenn er muss bringt er eine Windel und möchte sie angezogen bekommen.

Er hat Angst auf den Töpfchen zu sitzen und vor der Toilette noch mehr. Kaka macht er weiterhin allein in die Windel, kommt dann zu uns und möchte eine neue.

Es hat sich für mich lange angefühlt wie Versagen. Nach über einem Jahr plötzlich 3 Kakawindeln an Tag zu wechseln macht echt keinen Spaß.

Aber Windelfrei kann eben nicht mehr sein als ein Angebot an das Kind. Das Kind entscheidet, ob und in welchem Umfang es dieses Angebot annehmen möchte.

Ich bin froh um jede Kakawindel, die ich nicht wechseln musste und kann akzeptieren, dass es zu schwierige Umstände waren um Windelfrei weiter machen zu können. Unser Sohn hat das vorerst entschieden und niemand sonst kann das. Jetzt hoffe ich auf den Sommer und dass er vielleicht im nächsten Herbst im Handstand gegen Bäume pinkelt aber mit etwas Glück nicht mehr in die Windel.

Ein Gedanke zu “Unsere Erfahrungen mit Windelfrei – der Weg zum inneren Frieden bei völliger Hoffnungslosigkeit

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