Mein Dorf – Warum die Kleinfamilie nicht funktionieren kann

Immer mehr Menschen leben in Deutschland alleine oder in einem sehr kleinen Familienverbund. Schon bei Menschen mit mehr als zwei oder drei Kindern wird von einer Großfamilie gesprochen, obwohl die Großfamilie ursprünglich laut Definition aus drei oder mehr zusammenlebenden Generationen bestand. Doch wie ist so ein Leben mit Kind in der Kleinfamilie? Kann das überhaupt funktionieren? Was müsste sich für uns alle ändern?

 

Der Stress kommt spätestens mit dem zweiten Kind

Kündigt sich das zweite Kind an, verfallen viele Eltern trotz all der Freude und dem Wunsch über dieses Kind in eine gewisse Panik. Wie soll das funktionieren mit dem zweiten Kind? Wie soll man weitere durchwachte Nächte durchstehen, wo doch jetzt schon mit dem ersten Kind der Schlafmangel deutlich in den Gesichtern abzulesen ist? Wie soll man dem zweiten Kind gerecht werden, da ist ja noch eins, dessen Bedürfnisse nicht eben weniger und unwichtiger werden.

Stellt man diese Frage Frauen, die schon mehr als ein Kind haben (Männer sprechen leider sehr selten über solche Themen), bekommt man sehr oft zu hören, dass es zwar anstrengender mit dem zweiten Kind wird, dieses sich aber anpassen müsse und eben mitläuft. Erst vor kurzem begegnete mir eine Mutter mit drei Kindern in der Bahn. Anstatt auf das sehr dringliche weinen des kleinsten im Kinderwagen einzugehen, schloss sie das Regenverdeck und rüttelte am Wagen, denn sie wollte an der nächsten Haltestelle schließlich aussteigen. Mir bricht solch ein Verhalten das Herz.

Es gibt aber auch Mütter, die freudestrahlend verkünden, dass auch Kind zwei nach wenigen Tagen durchgeschlafen hat und auch sonst ein total zufriedenes und vor allem stilles Baby ist, das natürlich schon ganz viele tolle Sachen kann. So ganz mag ich das nicht immer glauben und oft würde ich in diesen Familien gerne mal Mäuschen spielen.

Und dann gibt es da noch die Mütter, und das sind leider verdammt wenige, die sehr ehrlich sind und zugeben, dass sie bis an ihre Grenzen oder darüber hinweg gegangen sind, um die Bedürfnisse der Kinder zu stillen. Oft stellen sich diese Mütter ganz hinten an, vergessen sich und ihre Bedürfnisse komplett. Muss das denn sein?

 

Du wolltest doch noch ein Kind

Gerade die ältere Generation, die teilweise noch den Krieg erlebt hat und gelernt hat zu funktionieren und bloß keine Schwäche zu zeigen, kommt mit solch einem Spruch schnell um die Ecke. Und schiebt oft noch ein „Jetzt stell dich nicht so an, andere bekommen das auch hin!“ hinterher. Dass das keine große Hilfe ist, sondern viel mehr zur Verunsicherung beiträgt, brauche ich wohl nicht zu sagen.

Doch was entgegnet man solchen Menschen? Und wie gelingt eine Antwort, ohne sie zu verletzen? Beide Fragen sind nicht einfach zu beantworten und oft muss hier sehr individuell vorgegangen werden. Manchmal hilft es aufzuzeigen, dass andere es genauso nicht hinbekommen. Manchmal hilft es aber auch, genau diese Menschen um Hilfe zu bitten, denn oft sagen sie solche Sachen auch, weil sie sich selbst genau diese Hilfe gewünscht hätten. Und in vielen Fällen hilft leider gar nichts, da habe ich mir angewöhnt gar nichts zu sagen.

 

Die Kleinfamilie ist nicht artgerecht

Doch warum sind wir so überfordert mit einem oder zwei Kindern? Warum müssen wir uns so aufopfern und uns an den Rand des Belastbaren bringen? Warum riskieren immer mehr Frauen, aber auch Männer, ihre Gesundheit?

Das Leben in der Kleinfamilie ist ein recht neues Phänomen. Vor nicht allzu langer Zeit war es üblich in der Großfamilie oder in Familienverbänden zusammen zu leben. Natürlich war auch in diesen Strukturen nicht alles gut und gerade die ältesten Kinder hatten oft ein hartes Leben, wenn sie sich um ihre kleineren Geschwister wie um ihr eigenes Kind kümmern mussten.

Der Mensch ist nicht für ein Leben in Einsamkeit (oder eben viersamkeit, wenn man die typische Deutsche Familie betrachtet) zu leben. Unsere Ressourcen sind sehr beschränkt und nicht darauf ausgelegt, Kinder ganz alleine großzuziehen. Dass wir dabei dann auch noch einer Arbeit nachgehen, um das Wirtschaftswachstum zu fördern und um sicher sein zu können, dass wir wenigstens ein paar Euro Rente bekommen, tragen nicht gerade zu einer Entspannung der Situation bei.

Zu viele Mütter zerreißen sich regelrecht zwischen Kindern, Haushalt und Job. Da bleiben eigene Interessen und Freundschaften abseits von anderen Eltern auf der Strecke. Oft haben Mütter kaum bis keine Unterstützung, durch andere Personen, es sei denn sie können es sich leisten diese zu bezahlen. Immer mehr Mütter unserer Elterngeneration gehen arbeiten und/oder wohnen weit weg. Unsere Großelterngeneration ist oft schon verstorben oder so alt, dass sie selbst die Zuwendung und Pflege eines Angehörigen gebrauchen könnten.

 

Dorf statt Kleinfamilie

Und so ist es enorm wichtig aus der Kleinfamilie auszubrechen und sich mit Menschen zusammenzutun, die genauso denken wie man selbst. Die ungefragt unterstützen, die einfach mal zuhören und die nicht immer nur hohle Ratschläge parat haben. Diese Menschen sind nicht leicht zu finden, aber es gibt sie.

Immer mehr Familien brechen aus den starren Formen unserer Gesellschaft aus. Immer mehr Menschen suchen Anschluss an gleich denkende Familien. Sie packen all ihr Hab und Gut zusammen und reisen durch die Welt ohne dabei einsam zu sein, immer im Kontakt mit anderen reisenden Familien. Alte Bauernhöfe werden zu Gemeinschaftsprojekten, Mehrgenerationenhäuser finden immer größeren Anklang. Und dann gibt es noch die Menschen, die mit ihren Nachbarn mehr als ein Kopfnicken austauschen.

Aus all dem kann ein Dorf entstehen und das muss es meiner Meinung nach auch, damit wir alle wieder artgerechter und entspannter leben können, ohne das Fortbestehen unserer Art zu gefährden. Die Kleinfamilie hat aus meiner Sicht keine Zukunft, das Dorf oder eine Art Großfamilie schon.

 

2 Gedanken zu “Mein Dorf – Warum die Kleinfamilie nicht funktionieren kann

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