Nach schrecklichen ersten Wochen mit unserem neugeborenen Kind und einem miesen Stillstart hatte ich nach 12 Wochen endlich die Stillhütchen los, den vorerst letzten (von vielen) Milchstaus hinter mir, die wunden Brüste heilten und so langsam war es echt ok zu Stillen.
Ich hatte nicht mehr ständig Schmerzen, die Angst vor dem nächsten Hunger lies langsam nach, dank der Übung trank das Baby nun schneller und mehr und war etwas länger satt. Wir stillten ca. alle 90 Minuten für 10 Minuten, was zu der Situation in den ersten Wochen ein echter Fortschritt war. Wir lernten im Liegen zu stillen was eine dramatische Verbesserung für meine tägliche Leistungsfähigkeit darstellte. Bald konnte ich schlafen oder dösen während das Baby trank!
Es war immer noch schwer mit einem satten Kind aus dem Haus zu kommen und irgendwo anzukommen bevor er wieder hungrig war aber wir schafften sogar 2 stündige Aufenthalte im Freien ohne Hunger. Das ging allerdings nur, solange ich unser Baby im Tragetuch herum trug.
Nachdem sich alles langsam eingespielt hatte traf mich die Historie unserer Familie – dort stillte man bisher nach dem 3. Monat langsam zur Flasche hin ab. Die ganze Familie war heiß darauf, das Kindchen auch mal Füttern und Versorgen zu können. Nach all den Strapazen konnte ich mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, jetzt, wo es endlich funktionierte schon wieder aufzuhören.
Das Baby verweigerte Schnuller und jede Form der Flasche, also auch mühsam abgepumpte Muttermilch zu füttern war eine Herausforderung… Ich klebte also an meinem dauerhungrigen Kind, es klebte an mir und kaum jemand in unserem Umfeld konnte das Verstehen und gut finden.
Im Pekip-Kurs bekamen die Babys schon Gemüsebrei gefüttert, da stillte ich immer noch alle 90 Min, der Sommer kam und wir stillten eher wieder öfter. Wir versuchten uns an baby led weaning, das bedeutete für uns, wir stillten weiter und das Baby verschmierte Essen auf sich, auf dem Tisch, unter dem Tisch, … Manchmal landetet vielleicht sogar ein Stückchen Essen im Kind, so mehr aus Versehen.
Man machte sich Sorgen, ob die Mama geistig und das Kind körperlich gesund seien, die Familie wollte weiter sehr gern Essen ins Baby befördern. So ab dem 9 Monat begann es sich dafür zu interessieren, die angebotenen Nahrungsmittel auch zu essen. Bis dahin hatten wir locker 3 Gemüse-Abo-Kisten zu Fingerfood verarbeitet, gedünstet, zermatscht und aufgewischt – so ist das, wenn man wartet, bis das Kind soweit ist…
Ach ja, die Kinder aus den besuchten Babykursen waren zu 90% abgestillt und aßen brav ihre 4-6 Hipp-/Alete-/Babylove-/…Gläschen am Tag.
Wir stillten weiter alle 90 Minuten, nachts schlief der Kleine auch schon mal 2-3 Stunden am Stück, wenn ihn keine Zahnschmerzen, Bauchschmerzen, Wachstumsschmerzen oder sonst etwas davon abhielten.
Ich gewöhnte mich daran überall halbnackt zu sitzen und mein Kind zu stillen, gewöhnte mich an skeptische Blicke, ignorierte blöde Kommentare und wir waren ganz zufrieden mit unserer Situation.
Stillen blieb die Wunderwaffe bei Müdigkeit, schlechter Laune, Zahnschmerzen, Krankheiten, Unwohlsein und derlei mehr.
Im Sommer erwischte uns eine Soor-Infektion, die zuerst nicht erkannt, dann nicht richtig behandelt zu monatelangen Schmerzen bei mir führte. Ich trug mich mit dem Gedanken abzustillen, schließlich war das Kind 1 1/2 und aß mittlerweile nennenswerte Mengen. Weil ich aber ein Sturkopf bin beschloss ich nicht in der Not abzustillen, auch aus Angst, dass ich mich später darüber ärgern würde. Also mal wieder Zähne zusammen beißen und weiter stillen. Die Aussage, dass Stillen nicht weh tun darf, trage ich seit meiner ersten Stillberatung im Herzen, muss aber sagen, dass es bei uns monatelang trotzdem weh getan hat.
Als der Sohn 1 1/2 war bin ich wieder arbeiten gegangen und wir haben tagsüber ohne Stress fast abgestillt. Ich habe langsam die Regel eingeführt, dass wir auf dem Sofa oder im Bett stillen. Mit Ausnahmen, ohne großen Druck und es hat gut funktioniert. Das Stillen und Arbeiten klappte problemlos. Das Stillen wurde ein schönes Nach-Hause-Kommen-Ritual und mit 1 3/4 stillte der Sohn nachmittags einmal, zum Einschlafen und nachts. Wie oft er nachts gestillt hat kann ich kaum sagen, weil ich dabei im Halbschlaf war und mich morgens kaum erinnern konnte.
Ich habe das Stillen im zweiten Lebensjahr nie als Nachteil erlebt und weil es für mich so einfach war, habe ich nie den Kampf zum Abstillen aufgenommen. Und so kam es dann, dass wir auch an seinem zweiten Geburtstag noch gestillt haben.
Leider muss ich zugeben, dass ich auch froh war, als wir nur noch zu Hause gestillt haben und uns somit aus der Öffentlichkeit verabschiedet haben. Man wird schon komisch angeschaut, wenn man „so ein großes Kind“ stillt und ich hatte nicht immer die Energie, dafür einzustehen und das lange Stillen zu bewerben oder zu verteidigen.
Bei zwei heftigen Erkrankungen im 2. Jahr war ich sehr froh, dass wir noch gestillt haben, da der Sohn tagelang alles andere an Nahrung verweigert hat und wir ihn sonst wahrscheinlich mit Limo hätten füttern müssen oder im Krankenhaus gelandet wären.
Auch haben wir die erste Zeit in der Fremdbetreuung ohne viele Krankheiten überstanden. Die Nase lief zwar gefühlt den ganzen Winter aber so richtig aus den Socken hat ihn nichts gehauen. Also alles in allem ein sehr positives Resümee für etwas, das einfach so passiert ist.
2 Gedanken zu “Unsere etablierte Stillbeziehung und wie wir zum Langzeitstillen gekommen sind”