Wie schaut das aus wenn man unerzogen lebt? Diese Frage begegnet uns immer wieder. Unerzogen wird sicherlich in allen Familien unterschiedlich gelebt aber es gibt dieses Gefühl, dass manche Menschen mit ihren Kindern einfach „anders“ umgehen.
Kennt ihr das? Diese Momente, in denen man Eltern mit ihren Kindern beobachtet und es passiert etwas, womit man nicht gerechnet hätte. Etwas, das wir im Umgang mit Kindern nicht gewohnt sind. Und man bekommt ein gutes Gefühl, das da gerade etwas ganz Tolles passiert ist. Mir geht das immer so, wenn Eltern ihren Kindern mit Respekt und Gleichwürdigkeit begegnen.
Wenn das Kind nicht am Arm hinterher geschleift wird sondern die Eltern die Einkaufstüten abstellen, sich auf Augenhöhe zu ihrem Kind begeben und fragen, warum es nicht weiter laufen möchte.
Wenn eine Mama an der Supermarktkasse ruhig bleibt und ihr Kind bei einem Wutanfall begleitet statt es anzuschreien, dass es sich benehmen soll.
Diese Kinder haben einen besonderen Blick, mit dem sie ihre Eltern betrachten. Er ist frei von Angst, Furcht und der Befürchtung, es könnte etwas schlimmes passieren.
Unerzogen bedeutet für mich auf Augenhöhe mit meinem Kind zu sein, in Beziehung zu sein, Vertrauen in mein Kind zu haben und keine Macht auszuüben außer um mein Kind vor einer unmittelbaren Gefahr zu beschützen.
Das klingt so theoretisch und kompliziert aber wir alle machen das schon immer so – mit unseren guten Freunden und Vertrauten.
Niemals würde ich meine beste Freundin im Supermarkt hinter mir her schleifen, wenn sie sich nicht entscheiden kann, welchen Snack sie kaufen möchte.
Niemals würde ich im Beisein meines Mannes über ihn sprechen als wäre er nicht anwesend.
Niemals würde ich einen Gast an meinem Tisch nötigen aufzuessen oder etwas auszutrinken.
Wer macht das? Viele Menschen, jeden Tag – mit ihren Kindern…
Ich finde ein guter Anfang für unerzogen ist, wenn wir unsere Kinder wie einen guten Freund, wie einen geliebten Menschen, wie einen Gast in unserem Haus behandeln.
Unserem Freund unterstellen wir nicht, dass wir immer auf ihn warten müssen, wenn wir es einmal tun. Unser Partner wird uns respektieren, wenn wir ihn respektieren und unser Gast wird höflich und freundlich sein, wenn wir es ebenfalls sind.
Natürlich sind Kinder anders, sie sind klein und sie benötigen unsere Hilfe für Dinge, die Erwachsene allein tun können. Das ist keine Berechtigung dafür, sie für weniger sensibel, beachtenswert oder freundlich zu erachten als einen großen Menschen.
Was wir tun müssen ist unseren Kindern zu vertrauen, dass sie liebenswerte, kompetente Menschen sind und dass sie ihr Verhalten nach unserem Vorbild ausrichten. Was wir ihnen Vorleben hat den unvergleichbar größeren Effekt auf ihr Leben als alle Lektionen, die wir ihnen absichtlich erteilen könnten.
melanie