„Zu laut!“ schreit die Tochter, hält sich die Ohren zu und schaut mich böse an. Dabei habe ich nichts anderes getan als ihrem Wunsch nachzukommen einen Smoothie zuzubereiten. Doch der Mixer ist ihr zu laut, dabei lasse ich ihn schon immer in der leisen Einstellung laufen. Für sie scheint es in diesem Moment aber ein Geräusch zu sein, dass ihre Ohren zum klingeln bringen lässt und Stress auslöst.
Schon als Baby war sie sehr unruhig, der Moro-Reflex war bei ihr so ausgeprägt, dass er nicht nur in Schrecksituationen angesprungen ist, sondern auch häufig dann, wenn sie zur Ruhe kommen sollte oder wollte. Zum schlafen half lange Zeit nur sie zu pucken und als sie zu groß und stark für das Pucktuch wurde, hielten wir ihre Arme und Beine während der Einschlafbegleitung fest.
Der Moro-Reflex
Der Moro-Reflex ist wie eine Schreckreaktion. Er entwickelt sich in den ersten Wochen der Schwangerschaft und verschwindet nach dem vierten Lebensmonat. Er sorgt dafür, dass das Baby seinen ersten Atemzug oder auch Schrei tut.
Abgelöst wird der Moro-Reflex vom Strauss-Reflex. Auch dieser wird in Situationen, die uns Angst machen oder in denen wir uns erschrecken aktiviert. Jedoch springt hier gleichzeitig das Gehirn an und prüft, ob die Situation wirklich lebensbedrohlich ist.
Was passiert, wenn der Moro-Reflex bleibt
Laut Christine Sieber und Dr. Carsten Queißer (Autoren des Buches „Wieder im Gleichgewicht“) sorgt ein vorhandener Moro-Reflex dafür, dass alle Sinne viel intensiver angesteuert werden. Kinder und auch Erwachsene mit einem noch aktiven Moro-Reflex leben also in ständiger Anspannung, da ihr Körper und ihr Gehirn ihnen immer wieder suggeriert, dass sie sich in einer gefährlichen Situation befinden.
Das führt schnell zu Überreizung, Konzentrationsproblemen oder stark ängstlichem Verhalten. Während Erwachsene oft gelernt haben ihre extremen Gefühle zu unterdrücken, oder Strategien entwickelt haben um damit umzugehen, fehlt dies Kindern. Sie werden in der Schule auffällig, sind unruhig oder wandeln ihre Angst in Aggression um.
Was kann man dagegen tun?
Eltern fällt es oft schwer mit solch einem Verhalten ihrer Kinder umzugehen, vor allem dann, wenn sie nicht betroffen sind. Für sie ist der Mixer eben nur ein Mixer, ein Geräusch neben vielen anderen. Doch für das Kind ist es in diesem Moment eine Gefahr.
Für die Kinder ist es wichtig, dass wir uns ihrem Verhalten und ihrer Gefühlswelt annehmen. Denn sie können nicht dagegen steuern, es gelingt ihnen nicht sich „normal“ zu verhalten. Sich zu informieren, zu verstehen was gerade passiert, kann den Eltern helfen das Kind zu verstehen. Eine gute Informationsquelle ist das oben angesprochene Buch von Christine Sieber und Dr. Carsten Queißer.
Mittlerweile gibt es auch in Deutschland immer mehr Reflex-Integrationstrainer. Hat man die Vermutung, dass das eigene Kind einen noch aktiven Moro-Reflex (oder einen anderen aktiven frühkindlichen Reflex) hat, lohnt es sich diese aufzusuchen. Empfohlen wird eine Behandlung aber erst ab dem fünften Lebensjahr.