Nicola Schmidt schreibt mit „artgerecht – Das andere Kleinkinderbuch“ die Fortsetzung ihres erfolgreichen Babybuchs. Für uns kommt es genau passend, ist unser erstes Baby doch mittlerweile ein lebhaftes Kleinkind, das wir natürlich auch artgerecht aufwachsen lassen wollen.
Wie im Babybuch auch sind es die Klassiker, die Eltern beschäftigen und auf die Nicola eingeht. Wie essen unsere Kinder artgerecht, was ist artgerechtes Essen und was mache ich, wenn das Kind nur Süßkram essen mag. Auch der Kleinkindschlaf beschäftigt uns Eltern. Oft fangen gerade Eltern, die ihre Kinder bedürfnisorientiert erziehen, ab dem zweiten Geburtstag an zu zweifeln, ob sie wirklich alles richtig machen, denn das Kind schläft immer noch im Elternbett und lange noch nicht durch. Und dann ist da ja noch das sauber werden, denn windelfrei kannten viele Eltern entweder nicht oder haben es sich nicht zugetraut.
Im Kapitel über das Essen wird Eltern die Angst genommen, dass Kinder, denen man die Wahl lässt, zu wählerischen Essern werden. Nicola zeigt auf, wie sich unser Essen entwickelt hat, warum Kinder bestimmte Nahrungsmittel instinktiv meiden und was es braucht um ein für alle angenehmes und gesundes Essen zu gestalten. Wichtig ist ihr, dass das Kind sowohl in die Vorbereitungen, als auch in die Zubereitung des Essens mit einbezogen werden.
Das Kapitel über den Schlaf ist sicherlich eines, dass viele Eltern mit Neugier verschlingen werden. Nicola beantwortet in diesem Kapitel Fragen zu Schlafbrücken, Einschlafgewohnheiten, der langsamen Landung, Schlaffenstern, dem alleine ein- und durchschlafen und zum Mittagsschlaf. Wie ich finde ein sehr wichtiges Kapitel, dass vielen Eltern noch einmal die Augen öffnet und ihnen zeigt, dass ihr Kind sich ganz normal verhält. Denn ja, es ist kein Baby mehr, trotzdem ist es noch immer in einem Entwicklungs- und Wachstumsprozess und nicht immer in der Lage gut und vor allem alleine für sich zu sorgen.
Mit am wichtigsten finde ich aber das Kapitel übers sauber werden, denn hier entsteht ab einem gewissen Zeitpunkt ein Druck unter Eltern, der gerne auf die Kinder übertragen wird. Das Kind muss mit spätestens drei sauber sein, egal zu welchem Preis. Und so werden Töpfchentrainings mit Belohnungssystemen durchgezogen, Kinder mit Bergen an Wechselwäsche in die Betreuung gegeben und die Windel verweigert. Das kann zum Erfolg führen, muss aber nicht. In jedem Fall geht es auch anders und auf einem viel entspannteren Weg, welchen Nicola hier beschreibt. Wichtig ist ihr zu betonen, dass es immer wieder Rückschritte gibt und es gilt diese einfach zu akzeptieren.
Neben diesen Klassikern geht es im Buch aber auch noch um viel mehr. Ein ganzes Kapitel ist dem artgerechten Spielen gewidmet. Wie ist dieses möglich und wo kann es stattfinden. Dabei zeigt Nicola auf, dass Medien nicht unbedingt verteufelt gehören und dass Eltern auch hier ein gutes Vorbild sein können.
Und dann ist da noch der große Teil zur artgerechten Familie. Wie kann es gelingen auch mit einem Kleinkind in der Autonomiephase ein glückliches und gelassenes Paar zu bleiben. Was hat es mit Geschwisterstreit auf sich und wie kann ich aus Geschwistern ein Team machen. Und dann sind da ja auch noch die weiteren Familienmitglieder, Nicola ermuntert dazu sie anzunehmen und aufzunehmen und ab und an auch mal über den eigenen Schatten zu springen.
Ein großer Schritt im Kleinkindalter ist das Erlangen der Selbständigkeit, auch wenn der Weg dahin für alle Beteiligten oft holprig ist. Nicola klärt auf, wie Kleinkinder in diesem Prozess begleitet werden können, wie sie lernen und wie sie selbständig werden. Und sie weißt darauf hin, dass unsere kleinen Großen auch mal wieder Baby sein wollen und auch dürfen.
Meist geht die Selbständigkeit mit dem abnabeln von den Eltern so weit, dass Kleinkinder für einige Stunden am Tag in eine Betreuung gehen. Entweder weil die Eltern das möchten, oder weil sie keine Wahl haben. Nicola erzählt von ihrer eigenen Erfahrung mit Betreuung und erklärt, warum es nicht immer der supertolle Waldorfkindergarten sein muss, sondern auch ein kleines Räumchen mit Plastikspielzeug. Wichtig ist ihr zu erklären, dass Kinder auch hier eine Person brauchen, an die sie sich binden können und die ihnen Stabilität gibt. Und so kann eine artgerechte Eingewöhnung durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen, das ist aber gut und richtig.
Wichtig ist, dass hier die von vielen Kritikern so schön genannte Fremdbetreuung nicht verteufelt wird. Natürlich muss beachtet werden, was es für Kleinkinder bedeutet mehrere Stunden am Tag in Krippen oder bei Tagesmüttern zu verbringen und wie anstrengend das für die kleinen sein kann. Jedoch kann und sollte diese Betreuungseinrichtung nicht fremd sein, sondern einen Teil unseres Dorfes bilden. Danke Nicola für diese Worte, denn genau das ist unsere Kita, ein Teil unseres Dorfes in dem sich nicht nur die Tochter wohl fühlt, sondern auch wir Eltern und der Sohn, der schon mit seinen wenigen Wochen immer wieder Kontakt zu den uns vertrauten Betreuungspersonen hat.
Für mich ist das artgerecht Kleinkinderbuch eine tolle Fortsetzung des Babybuchs und absolut empfehlenswert. Dazu kommt, dass Nicolas Art zu schreiben und ihre Begeisterung für diese Sache sehr deutlich zu spüren sind. Und im Gegensatz zu vielen anderen Elternratgebern sind Nicolas Texte immer sehr gut recherchiert und mit interessanten Quellen angereichert. Vielen Dank an Nicola für das wundervolle Buch und an den Kösel-Verlag für das Rezensionsexemplar.