Es gibt Themen, die sind für mich Kontrovers.
Die Geburt: Wann, wo, wie, mit wem, in welcher Umgebung?
So viel zu diskutieren
Das Stillen: Wann, wo, wie, mit wem, in welcher Umgebung?
Auch viel zu diskutieren
Und dann gibt es Themen, wie das Tragen. Völlig unkontrovers!
Meine Erfahrung und Meinung dazu: Immer, überall, egal wie, egal mit wem, egal wo!
Mein Selbstverständnis zu diesem Thema hätte mich fast davon abgehalten, darüber zu schreiben. Da sich aber viele Eltern fragen, wie das so geht, wann und wie man das am besten macht kommt hier mein Artikel dazu.
Als ich schwanger war fand ich Tragen kuschelig und schön für das Kind, also wollte ich das machen. Durch Clara lernte ich die liebe Benita Höll kennen und wir bekamen von ihr eine tolle Trageberatung. Damals war der kleine Mann noch im Bauch und das Üben war hauptsächlich dem Papa überlassen.
Ich bin zugegebenermaßen ein DIY-Typ und lese mir im Internet vieles an, von Fahrradreparaturen bis zur Stillberatung. Die persönliche Trageberatung aber schätze ich als unersetzbar und sehr lohnend ein (die Stillberatung übrigens auch).
Es ist super, wenn man einmal gespürt hat, wie fest das Tuch wo sitzen soll und Vertrauen bekommt, dass alles hält. Es übt sich mit einer 3 Kilo schweren Puppe deutlich leichter als mit dem eigenen neugeborenen Kind. Wenn man anfängt vor dem PC mit Youtube ängstlich mit dem Kind herum zu probieren wird zuerst die Mama nervös, dann das Kind, am Ende weint mindestens einer und man lässt es sofort wieder sein. Ich wollte nach einigen Wochen unbedingt eine zweite Tragevariante allein ausprobieren – blöde Idee…
Als unser Sohn dann auf der Welt war hat er seinen ersten Spaziergang im Tragetuch nach ca 2 Wochen gemacht. Da ich noch ständig das Gefühl hatte in Ohnmacht zu fallen, trug ihn der Papa. Unser 3-Kilo-Kind passte im ersten Winter noch ohne Probleme unter Papas normale Jacke bzw. unter meine Umstandsjacke.
Wir alle haben das Tragen genossen. Der Sohn fühlte sich wohl und geborgen, hat im Tuch geschlafen und war total entspannt. Für Papa und Sohn war es eine super Möglichkeit Kuschelzeit zu bekommen und auch mal ein bisschen schwanger zu sein. Ich konnte mich zu Hause mit 2 freien Händen gut allein versorgen und gleichzeitig mein Baby kuscheln. Fast alle Dinge des täglichen Lebens kann man ohne Probleme mit Baby im Tuch erledigen. Erst beim Duschen wird’s schwierig.
Es gab Tage, die liefen so ab: Baby wacht auf, stillt, wird gewickelt, kommt ins Tuch, schläft, wacht wieder auf, stillt, wird gewickelt, kommt ins Tuch, schläft,…
Im Gegensatz zum großen Kinderwagen konnten wir ihn im Tuch auch überall ganz einfach mitnehmen.
Die ersten Termine nach dem Wochenbett habe ich mit ihm ausschließlich im Tuch wahrgenommen. Zum einen war es für mich emotional viel leichter, ihn bei mir zu haben. Im hormongesteuerten Zustand wäre es mir sehr schwer gefallen, ihn 1 Meter vor mir in einem Wagen herum zu schieben. Außerdem schlief er an mich gekuschelt total gut und lange, so dass ich mehr Zeit hatte um etwas zu erledigen.
So habe ich den ersten Besuch bei meinen Kollegen im Büro, die Nachsorgeuntersuchung beim Frauenarzt und das tägliche Einkaufen mit schlafendem Baby im Tragetuch absolviert.
Mit 5 Monaten wurde das Kind agiler, etwas schwerer und das Einbinden ins Tuch damit schwieriger. Wir haben ihn dann ins Tuch gepackt, wenn wir zu zweit waren oder zu Hause gestartet sind. Auf dem Supermarktparkplatz war es aber für uns immer kompliziert ihn ins Tuch einzuwickeln. Deshalb haben wir dann noch eine Trage gekauft, die sich schneller anlegen lässt als das Tuch. Und weil dem Papa eine andere gefiel als der Mama hatten wir bald 2 Tragen.
Mit der Trage haben wir mit 7 Monaten angefangen, den Sohn hauptsächlich auf dem Rücken zu tragen. Es hat ihm wegen der besseren Übersicht gut gefallen und 8 Kilo tragen sich für einen längeren Weg leichter auf dem Rücken.
Bevor er laufen gelernt hat, haben wir unseren Sohn noch sehr viel getragen. Im Sommer etwas weniger, da hat er eine Ausfahrt im Kinderwagen dem innigen Kuscheln in der Trage vorgezogen (und ich auch). Bei unserem Umzug mit knapp einem Jahr aber war das Tragen unglaublich praktisch, da wir im ganzen Chaos oft nicht wussten, wohin mit dem Kind.
Die Trage ist und bleibt für uns immer wieder eine Option.
Mit der Trage kann er leicht ein- und aussteigen, außerdem bewegt er sich darin auf Augenhöhe und muss z.B. nicht auf dem Weihnachtsmarkt Popos aus dem Kinderwagen heraus angucken.
In Umgebungen, in denen ein Kinderwagen schwierig mitzunehmen ist und andere Menschen gern über Kinder oder Kinderwagen stolpern (z.B. Zugfahrten, Zoo, Volksfest) empfinden wir das als sehr praktisch.
Außerdem bietet die Trage ihm immer noch Kuscheleinheiten, wenn er sie benötigt. Kann er Nachts nicht (ein)schlafen, läuft er manchmal selbst zum Regal und zieht die Trage heraus. Habe ich ihn eingepackt, dauert es meist keine 5 Minuten und er schläft selig.
Mittlerweile schätzen wir aber auch das Ladevolumen des Kinderwagens und benötigen es immer öfter. Für ganze Tagesausflüge oder längere Strecken ist er unsere bevorzugte Option, zumal der Sohn mittlerweile über 12 Kilo wiegt.
Wir hatten in der Tragezeit nie Rückenprobleme durch die Belastung allerdings ist Tragen ebenso anstrengend wie mit einem schweren Rucksack zu laufen. Da kann der Rucksack toll sein wie er will, am Ende des Tages ist man kaputt 🙂
Mein Fazit: Die Investition in eine qualifizierte Trageberatung ist enorm lohnend. Für die ersten Monate würde ich immer ein Tragetuch vorziehen, später dürfen die praktischen Aspekte mitbestimmen, auf welche Art man tragen möchte. Das Tragen kann sowohl für die Eltern als auch für die Kinder viele Situationen erleichtern und ist für die Papas eine gute Kuscheloption.
Unsere Kinder sind aus evolutionärer Sicht Traglinge und danken es uns, wenn wir sie ins Leben tragen.