Es ist Ende Juni und ich feiere mit Melanie und zwei weiteren Freundinnen meinen Geburtstag. Wir frühstücken zusammen, die Kinder kugeln über den Boden oder machen ihre ersten Gehversuche. Wir sind alle in Elternzeit und genießen das. Die schlimmste Schreizeit der Tochter ist seit gut zwei Wochen vorbei. Gefühlt beginnt grade erst meine Elternzeit so richtig. Lange drei Sommermonate liegen vor mir ehe ich Anfang Oktober wieder fünf Tage die Woche für acht Stunden in einem Büro sitzen werde. Alles erscheint noch so weit weg.
Zwei Monate später, Melanie und mir gelingt das Unmögliche, beide Kinder schlafen gleichzeitig im Kinderwagen unterm Apfelbaum im Garten ein. Eine Stunde können wir zwei uns unterhalten, wertvolle Momente. Nach dem Schläfchen baden die Kinder in Wäschekörben und wir gönnen uns ein Eis. Noch ein Monat Elternzeit, noch so viele Gelegenheiten solche Tage zu wiederholen.
Ende September wird mir schließlich klar, die Zeit ist vorbei, in wenigen Tagen geht es wieder los. Acht Monate war ich nie länger als zwei oder drei Stunden von der Tochter getrennt, ab Anfang Oktober werden es täglich fast zwölf Stunden sein. Ich weine viel und frage mich, ob ich das richtige mache. Ich fühle mich wie die schlechteste Rabenmutter auf Erden. Und ich habe ein schlechtes Gewissen meinem Mann gegenüber, dem ich seine fünf Monate Elternzeit von Herzen gönne.
Ich versuche in den letzten Tagen noch so viele tolle Dinge zu tun, wie es möglich ist. Melanie und ich sehen uns mindestens einmal die Woche, ich kann mir nicht vorstellen, sie nicht mehr so oft zu sehen. Aber auch die Besuche meiner Schwiegereltern werden mir fehlen.
Und dann ist er da, der letzte Tag vor dem langen Wochenende, nach dem ich wieder los muss. Ich nehme mir nichts vor, verabrede mich mit niemandem und breche Nachmittags zu unserem Spaziergang auf. Ein letztes Mal geht es den steilen Berg rauf, raus aufs Feld, zwischen Waldrand und Rapsfeldern entlang zum Wald, dort wieder bergab zu einer Streuobstwiese. Auf der Bank dort setze ich mich und weine. Oft habe ich irgendwo auf der Runde angehalten und die Tochter gestillt. Oder kleine Dinge entdeckt, Springkraut, ein zerbrochenes Vogelei, Bienen und so viel mehr. Ich mache ein Selfie von mir und der Tochter und schicke es an den Mann. Dann sammel ich mich und gehe weiter, vorbei an der großen Wiese auf der Lamas, Kamele, Esel und Ponys stehen, weiter über die Felder, vorbei am Spielplatz den Berg hinauf nach Hause.
Viel zu kurze acht Monate sind vergangen, fast fünf davon habe ich mit einem schreienden Kind verbracht. Ich war hilflos, verzweifelt und traurig, aber trotzdem irgendwie glücklich. Die restlichen drei Monate waren toll, aber viel zu kurz. Wie sehr hätte ich mir drei weitere Monate gewünscht und dann wieder weitere drei und immer so weiter.