Schon als ich das erste Mal schwanger wurde, kam nach der klassischen Frage nach dem Geschlecht des Kindes sehr schnell die Frage nach meinem Job. Ich arbeite in einer Unternehmensberatung, war bis zum Mutterschutz mit der Tochter oft die ganze Woche in Europa unterwegs und häufig nur am Wochenende daheim. Diesen Job würde ich dann ja nicht mehr machen können, ich würde doch sicher kündigen und mir dann in Teilzeit irgendwo was anderes suchen. Das Entsetzen war groß, wenn ich unseren Plan darlegte. Ich würde nach acht Monaten Elternzeit wieder arbeiten gehen, in Vollzeit, bei meinem alten Arbeitgeber. Alles mit dem Risiko wieder reisen zu müssen, zumindest für eine Nacht die Woche. Und der Mann würde daheim bleiben, sechs Monate Elternzeit.
Wie das gehen würde, wollten viele wissen. Ich verstand die Frage zuerst nicht, erklärte immer wieder, dass wir eben bis dahin zusehen wollten, dass das Kind Brei oder andere feste Nahrung zu sich nehmen würde. Und ich könnte ja schließlich auch auf der Arbeit abpumpen, das stand mir gesetzlich ja zu. Doch das wollten die Leute gar nicht wissen, viel mehr wollten sie wissen wie es nur möglich sein konnte, dass der Mann so lange von der Arbeit wegbleiben konnte. Keiner hinterfragte, wie es mir möglich war sogar länger als er wegzubleiben. Und seien wir mal ehrlich, ich habe aktuell den besseren Job von uns beiden.
Auch jetzt kommt die Frage wieder auf und ja, ich bleibe diesmal länger daheim. Das heißt aber nicht, dass der Mann diesmal nur die klassischen zwei Monate nimmt. Auch er wird wieder länger in Elternzeit gehen und mindestens vier Elterngeld plus Monate beantragen. Das verwirrt und erstaunt die Leute. In der Regel fragen sie auch gar nicht nach ihm, oder eben nur, ob er diesmal auch wieder so lange von der Arbeit wegbleiben würde. Die wenigsten wissen, dass er bis zur Geburt des Sohnes noch in Elternzeit war und nur Teilzeit gearbeitet hat. Und dann hat er nicht etwa seinen ganzen Jahresurlaub genommen, um die ersten Tage bei uns daheim zu sein, sondern hat einen Monat Elternzeit ohne Elterngeldbezug genommen.
Doch warum ist das so? Warum wird nur bei der Frau gefragt, wie sie nach der Geburt des Kindes weiterarbeitet bzw. wie sie gerade nicht arbeitet? Warum wird vorausgesetzt, dass die Frau in ihrem Job zurücksteckt, ihre Karriere aufgibt? Und warum wissen immer noch nicht alle Männer, dass sie länger als zwei Monate wegbleiben können?
Es ist leider immer noch traurige Realität, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer. Ebenfalls wird immer noch vorausgesetzt, dass Frauen im gebärfähigen Alter irgendwann Kinder bekommen und nach der Geburt wenn überhaupt nur in Teilzeit zurückkommen. So handhaben das auch große Teile der Frauen heute noch. Und so machen viele Frauen oft keine Karriere oder werden irgendwann ausgebremst.
Klassisches Henne-Ei-Problem. Macht die Frau keine Karriere und geht länger in Elternzeit weil sie weniger verdient oder verdient die Frau weniger, weil sie sowieso länger in Elternzeit geht und später nur in Teilzeit zurück kommt? Diese Frage ist schwer zu beantworten, vielleicht gibt es hier auch keine Antwort. Trotzdem sollten diese Tatsachen immer wieder auf den Tisch kommen und genau diese Frage angegangen werden.
Doch viel mehr sollte darüber nachgedacht werden, wie auch die Männer mehr in die Care-Arbeit einbezogen werden können. Es sollte nicht länger verwunderlich sein, wenn ein Mann, genauso wie seine Frau, das Bedürfnis verspürt für die Kinder da zu sein. Genauso sollte es nicht fraglich oder verwerflich sein, wenn eine Frau das Bedürfnis verspürt möglichst schnell wieder arbeiten zu gehen. Und es sollte möglich sein, dass Familien heute nicht zum überleben auf mindestens ein Vollzeitgehalt im schlimmsten Fall sogar auf zwei Gehälter angewiesen sein müssen.
In der Firma meines Mannes war man völlig perplex als er 4 Monate Elternzeit Plus ankündigte. Es ist ein mittelständischer Handwerksbetrieb mit immer 80 Mitarbeitern, vielen Vätern, aber SOWAS hatte noch niemand gewollt. 😄 aber er ist auch der Einzige, der Teilzeit arbeitet… also der einzige Mann. 😉 letztlich wars aber kein Problem. Lg
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Letztlich muss jeder laufend Entscheidungen treffen die Konsequenzen haben. Aussterben oder nicht, ist auch so eine. Den richtigen Partner wählen genau so. Ein guter Beitrag, zeigt wie es gehen kann und wie man für sich Verantwortung übernimmt. Sticht aus der Masse heraus, die darüber jammern, dass diesen falschen Typen gewählt haben, der sich nicht um das Kind kümmert.
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