Ist das erste Kind in der Familie angekommen, entsteht schnell der Wunsch nach weiteren Kindern. Bei den einen früher, bei den anderen später, bei manchen gar nicht. Ist die Entscheidung für ein weiteres Kind gefallen, fangen viele Frauen an sich mit vorangegangenen Geburten auseinanderzusetzen und sich viele Gedanken über die anstehende Geburt zu machen. Das kann ganz unterschiedliche Hintergründe haben, einige haben unschöne Erlebnisse gehabt, Gewalt unter der Geburt erlebt oder mussten von ihrem Plan einer entspannten, natürlichen Geburt abweichen. Es gibt aber auch Frauen, die eine sehr schöne Geburt hatten und sich dies wieder wünschen.
Meine Erfahrung
Die Geburt der Tochter war nicht schön und doch rückblickend ganz in Ordnung. Es kamen einige Faktoren zusammen, die es uns nicht leicht gemacht haben. Es hat lange gedauert und ich hatte höllische Schmerzen. Am Ende wurde sie mit Hilfe der Saugglocke und dem Kristellergriff geholt. Trotzdem war ich in der ganzen Zeit gut betreut, hatte am Ende eine sehr einfühlsame Hebamme, die trotz der kritischen Situation alle meine Wünsche und Bedenken beachtet und ernst genommen hat. Und es waren zwei sehr nette, zurückhaltende Ärztinnen anwesend, die sich nur im nötigen Rahmen eingemischt und die Hebamme und mich unterstützt haben.
Und trotzdem hatte ich lange an der Geburt zu knabbern, gerade weil die Tochter hinterher schrie und durch nichts zu beruhigen war. Ich machte mir Gedanken, wie ich es hätte besser machen können und was vorher alles schief gelaufen war. Immer und immer wieder spielte ich alles durch, haderte mit mir, mit dem Krankenhaus, mit der betreuenden Ärztin und mit der ganzen Welt. Am ersten Geburtstag durchlebte ich alles noch einmal, sehr zum Ärger des Mannes, der mit dem Erlebnis abschließen wollte und es sicherlich auch ein Stück weit verdrängt hatte.
Doch immer mehr kam auch die Erkenntnis, dass es nun eben so passiert ist und es für uns alle gut ausgegangen ist. Es hätte schöner sein können, es hätte aber durchaus auch viel hässlicher werden können. Ich habe mit der Zeit erkannt, dass aus einer recht schwierigen Situation das Beste gemacht wurde. Mein Wunsch, einen Kaiserschnitt zu umgehen, wurde respektiert und sowohl Hebammen als auch Ärztinnen überschritten die Grenzen, die ihnen irgendwelche Vorschriften machten.
Zwei Jahre später hab ich mit dem Erlebnis abgeschlossen, auch wenn mir die Gedanken daran immer noch Tränen in die Augen treiben und meine Gefühle Achterbahn fahren lassen. Es wird immer ein Teil von mir sein, ein Teil der Tochter und ein Teil unserer Geschichte.
Den Abschluss finden
Es ist so leicht gesagt und so schwer getan, doch irgendwann ist es Zeit einen Abschluss zu finden, wenn eine vorangegangene Geburt nicht so gelaufen ist, wie wir uns das vorgestellt oder gewünscht haben. Das hat nichts mit Verdrängung zu tun, es geht viel mehr darum für sich und auch für das Kind Frieden mit dem erlebten zu schließen und es als Teil seines selbst und als Teil der gemeinsamen Geschichte anzunehmen. Solch einen Abschluss zu finden ist nicht immer leicht und oft bedarf es Hilfe. Wichtig ist es, diese einzufordern und anzunehmen. Und auch den Partner dazu aufzufordern die Hilfe zu leisten, die man sich wünscht.
Mir hat es geholfen das erlebte mit Melanie zu besprechen, immer und immer wieder. Nun ist sie keine Psychologin, aber eine gute Zuhörerin und das war in meinem Fall ausreichend. Doch oft sizt der Schmerz tiefer und gerade wenn ein Trauma vorliegt ist es umso wichtiger sich professionelle Hilfe zu holen. Das ist kein Versagen, das ist eine tolle Gelegenheit etwas sehr negatives in ein positiveres Licht zu rücken.
Wichtig ist, dass jede Frau diesen schweren Weg gehen darf und die Zeit bekommt, die sie benötigt. Dass es nicht mehr heißt: „Stell dich nicht so an!“ oder „Geburt ist eben kein Spaziergang!“, sondern, dass sie ein offenes Ohr bekommt und ihr Schmerz ernstgenommen wird. Und auch deswegen ist es vielleicht so wichtig über solche Erlebnisse zu reden und aufmerksam zu machen, dass es viele betrifft.
Welche Hilfe es für Mütter gibt, die sich Unterstützung bei der Verarbeitung eines Geburtserlebnisses könnt ihr hier nachlesen.
Keine Vergleiche anstellen
Mein Mann tendierte sehr dazu die anstehende Geburt des Sohnes mit der Geburt der Tochter zu vergleichen. Er kannte bis dahin aber auch nichts anderes, denn Männer untereinander tauschen selten ernsthaft die Erfahrungen, die sie während der Geburt machen, aus. Und so hatte er eine riesige Angst vor dem was kommen würde, er fürchtete sich davor, dass es erneut zu Komplikationen kommen könnte, dass ich wieder gesundheitlich sehr eingeschränkt sein würde, dass er nicht nur für mich und die Tochter zuständig sei, sondern auch für ein Neugeborenes, dass in seiner Vorstellung ebenfalls rund um die Uhr schrie. Ja, auch er hatte und hat da noch einiges aufzuarbeiten.
Doch je mehr ich mich mit Hypnobirthing beschäftigte, das Kind in mir spürte und einen tiefen Frieden mit all dem machte, was passiert war, merkte ich, dass ein Vergleich nicht stimmen konnte und uns allen nicht gut tat. Ich war unglaublich zuversichtlich, dass es diesmal ganz anders werden soll und wir das nicht vergleichen werden können.
Und genau das ist mein Punkt. Warum sollte es exakt so werden wie beim letzten Mal? Was spricht genau dafür? Eigentlich gar nichts, der Sohn lag schon anders, das war bei der Tochter das größte Problem. Außerdem ist er ein ganz anderer Mensch als die Tochter, bringt eine eigene Geschichte mit, die wir gemeinsam weiterschreiben werden. Er ist seinen eigenen Weg auf diese Welt gegangen (der Geburtsbericht folgt), die Tochter hat einen ganz anderen gewählt.
Ich sage, vergleicht nicht. Lasst euch neu auf das Erlebnis Geburt ein. Gebt dem neuen Leben seinen Raum und lasst ihn seinen Weg gehen.
Alles auf Anfang
Und deswegen ist es für mich wichtig für jede Geburt wieder alles auf Anfang zu setzen. Auch wenn wir meinen alles zu wissen, schadet es nicht sich auf die neue Geburt wieder anders vorzubereiten und sich komplett neu auf diese Reise einzulassen. Wir starten neu, mit einem neuen Leben und mit einer neuen Geschichte, die unsere wird und die wunderschön wird. Das wünsche ich einer jeden Mutter.
So ein wunderbarer Beitrag! Genau aus dieser Motivation heraus habe ich angefangen, für Frauen ihre Geburtsgeschichten aufzuschreiben. Zu häufig brauchen sie eine Person, die sie ernst nimmt. Die sie nicht bewertet und vergleicht. Danke, deine Worte sind wirklich wichtig!
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