Allein der Titel dieses Buches und dazu das wundervolle Coverbild, lassen mein Herz höher schlagen. Julia Dibbern gelingt es die Aufforderung zu Verwöhnen so liebevoll zu verpacken, dass wir dieser ohne schlechtes Gewissen (und spätestens nach der Lektüre dieses Buches wissen wir auch, dass wir sie nicht haben müssen) nachkommen möchten.
Vorstellung und Realität
In der Einleitung zum Buch erzählt Julia Dibbern sehr charmant und mit viel Witz, wie ihre Reise mit Baby begann. Sie schildert, wie sie als Nicht-Mutter Freundinnen mit Baby wahrnahm und beschreibt ihre Einstellung zu dieser Zeit:
Wenn man das Ganze ein bisschen entspannter angeht und nicht so ein Tamtam um das Baby machen würde, dachte ich, sähe man als Mutter auch souveräner aus. Babys sollten so sein wie im Kino oder in den Frauenzeitschriften im Zahnarztwartezimmer: niedlich und rosig anzusehen, wohlriechend und vor allem pflegeleicht.
Julia Dibbern, Verwöhn dein Baby nach Herzenslust, Seite 8
Diese Worte von einer Person zu hören, die heute mit die wundervollsten Bücher über Babys und Kinder schreibt (und nebenbei auch tolle Romane), tut gut. Es ist ok, dass wir bisher dachten, Babys müssen nicht verwöhnt werden und man müsse auch nicht so einen Aufriss um das kleine Menschlein machen. Mir ging es auch nicht anders, bevor ich Kinder hatte. Ich war fest davon überzeugt, dass meine windelfrei betreibende gute Freundin plötzlich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. Wie gut, dass es genau ihr gelang mich eines besseren zu lehren, dafür bin ich ihr auf ewig dankbar.
Neun Verwöhn-Bausteine
Julia Dibbern beschreibt in ihrem Buch neun Bausteine, die Eltern nutzen können, um das Leben mit Baby zu erleichtern. Diese Bausteine gelten dabei alle als Anregungen, jeder kann, keiner muss umgesetzt werden. Sie geben Denkanstöße und lassen uns unser Handeln überdenken. Außerdem erinnert Julia Dibbern uns noch einmal daran, dass Verwöhnen für uns Erwachsene etwas sehr schönes ist, wir unserem Partner aber auch nicht auf der Nase herumtanzen, wenn der uns jeden Abend einen Tee bereitet und bringt, während wir uns schon aufs Sofa kuscheln.
Und noch einen wichtigen Punkt spricht sie an, Babys haben Grundbedürfnisse, die erfüllt werden sollten. Hunger und Müdigkeit fühlen sich für dieses kleinen Menschen wie Schmerz an. So ist es also noch überhaupt kein Verwöhnen, wenn wir unser Baby immer genau dann stillen oder die Flasche geben, wenn es zeigt, dass es hungrig ist.
Das schöne an dem Buch und den neun Bausteinen, sie begleiten uns nicht nur in der ersten Zeit mit Baby, sondern auch schon in der Zeit davor, denn genau das besagt einer der Bausteine „Verwöhnen beginnt vor der Geburt“. Des weiteren schreibt Julia Dibbern über die „Gute warme Milch“, über das Schlafen, das Tragen, windelfrei, aber auch darüber, wie man Babys trösten kann und für sie da sein kann. Und ganz wichtig, über Zusatzeltern, weitere Menschen, die für uns und das Baby da sein können und uns Kraft und Halt geben, wenn wir in den ersten Wochen mit Baby das Gefühl bekommen völlig überfordert zu sein.
Verwöhnen ist so wichtig
Ich finde dieses Buch so wichtig und wertvoll, denn es spricht eine Angst an, die wir seit Generationen mit uns herumtragen. Das Kind darf bloß nicht verwöhnt werden, es muss selbst sehen, wie es zurecht kommt. Wir haben Angst entweder kleine Tyrannen oder große unselbstständige Menschen zu produzieren. Wir sehen immer wieder nur die negative Seite, wobei ich mittlerweile fest überzeugt bin, dass das Verwöhnen gar keine negative Seite haben kann, wenn man es mit gesundem Menschenverstand betreibt.
Nicola Schmidt schreibt im artgerecht-Babybuch, dass gestillte Bedürfnisse irgendwann verschwinden. Und genau das ist es, worauf die Verwöhnbausteine von Julia Dibbern abzielen. Denn vieles was wir für unsere Babys und Kinder tun können ist eben gerade nicht verwöhnen, sondern einfach ein Bedürfnis erfüllen. Es ist nicht immer ein Grundbedürfnis, aber es ist ihnen ein Bedürfnis.
Und noch etwas kann dieses Buch vielleicht erreichen. Uns offener für das Thema verwöhnen machen. Zulassen, dass wir uns selbst verwöhnen, dass wir unseren Partner verwöhnen oder auch einfach mal danach fragen. Wie oft hab ich mich Abends in die Küche geschleppt, missmutig den Mann zur Seite gedrängelt um an den Wasserkocher zu kommen und mir einen Tee zu machen. Der dann ja auch noch ziehen musste, also musste ich ein zweites Mal vom Sofa hoch. Mittlerweile kann ich den Mann darum bitten mir einen Tee zu machen. Oder mir die Tasse zu bringen, wenn ich zu müde oder erschöpft bin aufzustehen. Auch wir Erwachsenen müssen nicht immer funktionieren und alles alleine können. Auch wir dürfen uns einfach mal helfen und verwöhnen lassen.
Verwöhnt euch mit diesem Buch
Und deswegen lege ich dieses Buch allen Eltern mit Babys und auch allen Schwangeren ans Herzen. Nehmt euch die Zeit dieses Buch zu lesen, freut euch auf die Zeit mit Baby (ja, sie kann sehr anstrengend sein, aber sie ist doch auch wunderschön). Verwöhnt euch, euren Partner oder eure Partnerin und verwöhnt eure Babys und Kinder. Ganz ohne schlechtes Gewissen, aber mit viel Liebe im Herzen.