Kommt ein neues Baby in die Familie, stellt sich schnell die Frage, wie wir die Geschwister bestmöglich auf die Ankunft des kleinen Menschen vorbereiten können. Denn wir Eltern möchten natürlich gerne, dass sich auch die Geschwister in der veränderten Familiensituation wohlfühlen werden und ebenso positive Gefühle gegenüber dem neuen Familienmitglied aufbringen können.
Doch wie sagen wir es denn nun, damit das Kind nicht überrollt wird? Wie können wir es so transportieren, dass auch wir nicht enttäuscht sind von der Reaktion des Kindes? Und wie machen wir es insbesondere kleinen Kindern begreiflich, dass da noch jemand ist, den wir aber aktuell gar nicht sehen, anfassen, fühlen, hören und riechen können?
„In Mamas Bauch ist ein Baby!“
Als ich den Schwangerschaftstest in der Schwangerschaft mit dem Sohn machte war ich bereits in der siebten Woche. Somit war es nicht nötig den Test am frühen Morgen zu machen, sondern direkt nach einem kleinen Ausflug in die nächste Drogerie. Und so hielt ich mitten am Nachmittag dem Mann einen positiven Test unter die Nase, war völlig außer mir vor Freude, dass es „nur“ drei Monate bis zum positiven Test gedauert hatte und erleichtert, dass die Stillpille nicht alles komplett durcheinander gebracht hatte. Dieses Gefühlschaos bekam die Tochter natürlich mit und mir war es wichtig sie von Anfang an mit einzubeziehen. Der Mann sah das anders, er wollte es ihr erst später sagen, wenn der Bauch sichtbar sein würde. So lange konnte ich aber kein Geheimnis vor ihr haben und fand es auch sehr merkwürdig, dass es in der Familie nun zwei Menschen geben sollte, die Bescheid wissen und einer, der von nichts weiß. Und so erzählte ich es ihr, immer und immer wieder. Interessant fand sie es zu Beginn gar nicht und das war völlig in Ordnung, denn es war noch lange hin bis zur Geburt und auch für sie mit knapp zwei sehr abstrakt.
Für mich fühlte sich dieses Vorgehen richtig an und auch Nicola Schmidt schreibt ähnliches in „Geschwister als Team“. Sie empfiehlt keine hohe Erwartung an die Verkündung zu haben, vor allem nicht, wenn das Kind noch klein ist. Viel mehr hilft es kindgerecht über das Thema zu sprechen und Beispiele zu geben, wenn wir im Bekanntenkreis vielleicht gerade ein Baby haben.
Über die Schwangerschaft und Geburt sprechen – kindgerecht und immer wieder
Die Tochter liest sehr viel und hat gerade in der Zeit alle Bücher von Bobo Siebenschläfer verschlungen. So war es für uns super, dass es ein Bobo-Buch gibt in dem Bobo großer Bruder wird. Zwar läuft dort alles sehr klassisch ab, für uns hat es aber gepasst. Wir haben dieses Buch unzählige Male gelesen und immer wieder zum Anlass genommen mit ihr über die Geburt und die Ankuft des kleinen Bruders zu sprechen.
Gerade die Geburt beschäftigte mich lange und ich merkte, dass ich klar sein musste über den Verbleib der Tochter, damit ich entspannt in die Geburt gehen könnte. Der Mann und ich diskutierten lange hin und her, er war der Meinung wir müssten nun sofort anfangen das Übernachten bei Oma und Opa zu üben. Für mich fühlte es sich falsch an, denn die Tochter hatte diesen Wunsch noch nie von sich geäußert. So war ich sehr froh, als meine Schwiegermutter irgendwann sagte: „Wenn es soweit ist kommen wir zu euch, die Kleine ist dann in ihrer gewohnten Umgebung und kann in ihrem Bett schlafen.“
Und so fingen wir an über genau die Situation zu sprechen. Glücklicherweise wird Bobo auch von seinem Großvater aus dem Kindergarten geholt, als die kleine Schwester sich auf den Weg macht. Wir erklärten immer und immer wieder, dass Oma und Opa kommen und für sie da sind, wenn wir ins Krankenhaus müssten zur Geburt.
Und wir sprachen viel über das Baby im Bauch. Zeitweise hatte auch die Tochter ein Baby im Bauch. Auch über das sprachen wir. Und über das Baby in Papas Bauch. Es half ihr sich damit auseinanderzusetzen und Fragen zu stellen.
„Und dann bin ich aus dir rausgetaucht!“
Diesen Satz knallte mir die Tochter irgendwann an den Kopf und ich war völlig verblüfft. Ich hatte damit gerechnet, dass Geburt für sie ein abstraktes Thema bleiben würde, auch wenn wir ihr erklärten, dass das Baby aus mir herauskommen würde und welchen Weg es dabei nehmen würde.
Das Bild war aber wunderschön, vor allem passte es zur geplanten Wassergeburt. Und da sie es so formuliert hatte half es uns mit ihr über das Thema Geburt zu sprechen, denn das wird weder im Bobo Buch noch in dem Karlchen-Buch, das wir zwischenzeitlich geschenkt bekommen und viel gelesen hatten, vor. Es war aber ein Thema, was sie immer wieder beschäftigte, denn irgendwie muss das Baby ja aus dem Bauch herauskommen.
„Meine Liebe wird sich nicht verändern, nur verdoppeln.“
Gerade dem Mann war es ein Bedürfnis der Tochter zu versichern, dass wir sie auch mit der Ankunft des Geschwisterchens noch genauso lieben werden wie vorher. Er erklärte ihr viele Male, dass das Baby am Anfang sicherlich viel Zeit in Anspruch nehmen würde und wir deswegen vielleicht manchmal etwas weniger Zeit für sie hätten. Und dass so ein Baby am Anfang recht hilflos ist. Dass es viel stillen muss und viel schlafen. Uns spielte in die Karten, dass sie selbst bis zu ihrem zweiten Geburtstag täglich gestillt hatte und auf den Stillstart wartete, damit mein Körper endlich wieder Milch produzieren würde.
Auch Nicola Schmidt rät in „Geschwister als Team“ dazu auf die Sorgen der großen Geschwister einzugehen. Zu erklären, dass das Baby nicht zurückgegeben werden kann und versuchen zu erkennen, was hinter dieser oder ähnlicher Fragen stecken mag.
Alles wird anders und doch bleibt alles gleich
„Bevor das Baby kommt muss das große Kind aber noch trocken werden!“
„Die Kitaeingewöhnung mache ich dann im Mutterschutz, das Baby darf nicht früher kommen.“
„Du bist ja dann die Große/der Große, den Schnuller bekommt dann das Baby.“
Solche oder ähnliche Sätze sagen wir, manchmal aus der Not heraus, manchmal aber auch weil wir es einfach nicht besser wissen und denken genau das richtige zu tun. Doch versetzen wir uns in das Kind hinein, dann merken wir schnell, dass all dieses Sachen es unglaublich fordern und sicherlich in der Situation mit neuem Baby überfordern.
Wir wissen heute, dass viele große Kinder auch nochmal Baby sein wollen, sobald das Geschwisterchen angekommen ist. Sie machen wieder in die Windel, wollen wieder stillen, nah bei den Eltern schlafen und nicht mehr in den Kindergarten gehen. All das kann bei uns zu zusätzlichem Stress führen und wir beginnen mit den Großen zu kämpfen. Doch genau diese Kämpfe lohnen sich nicht, denn das Bedürfnis auch wieder Baby zu sein verschwindet meist recht schnell wieder, wenn die Großen erkennen, dass sich für sie nichts verändert. Mama und Papa lieben das große Kind immer noch genauso, der Alltag ist weitestgehend gleich und es wird nicht erwartet, dass das Kind jetzt plötzlich groß und vernünftig ist.
Die Sache mit der Liebe und dem Respekt
Im Buch „Geschwister als Team“ schreibt Nicola Schmidt:
Bedenken Sie, dass Geschwister einander nicht lieben müssen: Das können wir nicht von ihnen verlangen. Sie sollen lediglich lernen, einander zu respektieren und anständig miteinander umzugehen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Nicola Schmidt, „Geschwister als Team“, Seite 49
Genau diesen Satz sollten wir uns zu Herzen nehmen. Von Anfang an, schon beim ersten Gespräch mit den großen Kindern. Sie müssen den unbekannten Neuling nicht lieben, aber ihn respektieren.