Bevor die Tochter auf die Welt kam, dachte ich, dass ich mich über das Stillen eigentlich recht gut informiert hätte. Meine Mutter hatte mir von ihren Stillerlebnissen mit mir und meiner Schwester erzählt, einige Freundinnen hatte ich stillen gesehen, wenn auch immer mit einem Tuch davor und meine Hebamme hatte uns sowohl im Geburtsvorbereitungskurs, als auch im persönlichen Gespräch auf das Stillen vorbereitet. Lediglich meine Schlupfwarzen könnten ein Problem werden, aber das würden wir schon hinbekommen, sagte meine Hebamme mir damals. Und so machte ich mir darüber die größten Sorgen.
Doch als die Tochter dann nach langen Stunden und einer für mich sehr heftigen Geburt endlich da war, wurde alles viel komplizierter als gedacht. Schon das erste Anlegen direkt im Kreissaal funktionierte nicht so richtig, auch wenn mir die dort anwesende Hebamme sehr nett half. Die Tochter war einfach zu erschöpft von der Tortur, durch die wir in den vergangenen zwei Tagen durch mussten. Und so kam es auch, dass sie erstmal kaum an der Brust saugte und nur von Wimmern unterbrochen viel schlief.
Doch als sie sich ausgeschlafen hatte schraubten wir uns in einen Teufelskreis. Die Tochter schrie erbärmlich, hatte nun wahrscheinlich einfach Hunger, nachdem sie 40 Wochen lang durch mich gut versorgt gewesen ist. Ich probierte mich im Anlegen, bekam relativ schnell von einer der Krankenschwestern ein Stillhütchen verpasst und war mir im großen und ganzen selbst überlassen. Die zweite Nacht war einfach nur noch schlimm, denn ich hatte zu dem Zeitpunkt eigentlich noch nicht geschlafen, der Mann war vor Erschöpfung fest eingeschlafen und die Tochter schrie, saugte verzweifelt am Stillhütchen und bekam einfach nichts raus. Außer Blut, denn irgendwann war die Haut an meiner Brust trotz Stillhütchen kaputt. In der Situation hatte ich mir von der Nachtschwester Hilfe erhofft, bekam aber nur die unfreundliche Antwort, dass das Clusterfeeding sei und ich da eben durch müsse.
Und so quälten wir drei uns durch den nächsten Tag und die halbe nächste Nacht, bis ich es aus lauter Verzweiflung nochmal mit Klingeln nach einer Schwester probierte. Diesmal hatte ich Glück, die liebe Schwester mit dem Wunsch nach einer Hebammenausbildung hatte Dienst. Sie besah sich in aller Ruhe die Situation, sprach mit mir über meine Ängste bezüglich dem zufüttern und besah sich die Brüste. Es war schnell klar, dass ich zu diesem Zeitpunkt keine Milch hatte, also gar nichts aus meinen Brüsten kam außer Blut. Aufgeben war für mich aber keine Option, ich wollte so sehr stillen. Und so fütterten wir in dieser Nacht mit einem Brusternährungsset zu.
Leider hatte die nächste Krankenschwester dafür keine Zeit und auch kein Verständnis, es war in der Nacht nur vermerkt worden, dass wir zufüttern und so gab es ein Fläschchen. Völlig fertig mit der Welt, einem Körper, der auch drei Tage nach der Geburt gefühlt mehr tod als lebendig war und einem dauerhaft schreienden Kind knickte ich ein und gab die Flasche. Zum Glück durften wir dann doch ziemlich schnell heim, einer Eiseninfusion für mich sei Dank. Und so konnte meine tolle Hebamme mir endlich bei Seite stehen.
Auch meine Hebamme sah die Notwendigkeit zuzufüttern und das extreme Saugbedürfnis der Tochter mit einem Schnuller zu beruhigen, denn aus meiner Brust kam immer noch kein Tropfen. Das Bluten war zum Glück besser geworden und meine Hebamme zeigte mir am lebenden Objekt, wie ich die Tochter anlegen kann und wie es für uns beide am entspanntesten sein könnte. Sie ermutigte mich auch, es immer wieder ohne die Stillhütchen zu probieren und nicht aufzugeben.
Und so machte ich weiter, trank literweise Fenchel-Anis-Kümmel-Tee, welcher zum Glück einer meiner liebsten Tees ist, und behandelte die Brust mit Milchbildungsöl. Und siehe da, fast eine Woche nach der Geburt wurden die Brüste plötzlich hart. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt zu Besuch, tastete und sagte mir, dass es jetzt bald losgehen würde. Und tatsächlich, am nächsten Tag kam sie endlich, die Milch, die meine Tochter endlich satt und zufrieden machen sollte.
Satt machte sie sie auch, zufrieden eher weniger, obwohl ich schließlich Milch in rauhen Mengen hatte. Leider hat der schwere Start dazu geführt, dass wir nicht richtig stillen gelernt haben. Lange taten mir vor allem die Brustwarzen weh, da die Tochter zu wenig Brust in den Mund nahm. Hinzu kamen relativ schnell zwei Brustentzündungen und immer wieder leichte Milchstaus. Auch heute mit knapp eindreiviertel nimmt sie oft nur die Brustwarze in den Mund und oft frage ich mich was der ganze Schmerz soll. Wenn ich aber ein aufgelöstes, weinendes Bündel vor mir stehen habe, dass ganz dringend ganz viel Mamanähe an der Brust braucht und da sofort zur Ruhe kommt, weiß ich, dass das nur einer von vielen Gründen ist warum es sich gelohnt hat all das durchzustehen.
Ein Gedanke zu “Stillstart ohne Milch”