Natürlich schwanger – Das Recht auf eine Hebamme

In meiner ersten Schwangerschaft hatte ich unglaubliches Glück, dass ich meine Hebamme gefunden habe und sie auch noch Zeit für mich hatte, obwohl ich sie erst nach der zwölften Woche kontaktiert hatte. Ich weiß nicht, wie wir nach der Geburt ohne sie zurecht gekommen wären, ich völlig zerstört von der Geburt und die Tochter ein Schreibaby.

Jetzt in der zweiten Schwangerschaft habe ich sie sozusagen mit dem positiven Test angerufen, denn es war mir sehr wichtig sie an meiner Seite zu wissen. Und ich hatte diesmal die Entscheidung getroffen, dass ich nicht nur jede zweite Vorsorge bei ihr mache, sondern alle, außer den drei Ultraschalluntersuchungen. Doch genau hier machte mir gleich die neue Frauenärztin einen Strich durch die Rechnung und sprach von Abrechnungsbetrug. Sie fände das mit den Hebammen ja ganz gut, aber dass mir das zustehen würde wäre ein Gerücht. Schon allein bei diesem Satz kochte ich innerlich. Als sie dann auch noch erklärte, dass eine ärztliche Vorsorge extrem wichtig wäre, damit man ganz sicher gehen könne, dass das Kind nicht krank, behindert oder gar tot sei war diese Beziehung für mich beendet. Spätestens da war mir klar, ich werde mich bei der Krankenkasse über sie beschweren und suche mir eine neue Ärztin. Doch nicht jede Frau ist so gut informiert wie ich. Doch wie ist denn nun das Recht? Hab ich wirklich Anspruch auf eine Hebamme?

 

Wer darf Hebammenhilfe in Anspruch nehmen?

Der Hebammenverband sagt dazu ganz klar: „Hebammenhilfe kann von jeder Frau in Anspruch genommen werden.“ Und weiter heißt es dort: „Ihre Hebamme ist eine wichtige Kontaktperson während Ihrer Schwangerschaft und betreut Sie rundherum vom Beginn ihrer Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit.“ Weitere Informationen dazu sind hier zu finden: Hebammenverband Hebammenhilfe

Und die Hebamme kann noch so viel mehr, ist sie doch auch die ganze Stillzeit über für die Frau da. Sie gibt Tipps und Hilfestellungen bei der Frage nach der Beikost oder bei Ernährungsproblemen. Auch viele dieser Leistungen werden von der Krankenkasse übernommen.

 

Wie sieht die Realität aus?

Immer mehr Frauen finden noch nicht mal eine Nachsorgehebamme, von einer Hebamme, die auch Vorsorgen anbieten kann oder einer, die sogar die Geburt begleitet, zum Beispiel daheim, wollen wir gar nicht reden. In den großen Städten ist noch nicht mal garantiert, dass noch eine Hebamme gefunden wird, wenn man direkt mit dem positiven Test alle Hebammen abtelefoniert. Viele Frauen stehen komplett ohne Betreuung da, niemand kommt und schaut im Wochenbett nach ihnen, keine Hilfe bei Stillproblemen, denn viele Frauen hören auch erst über ihre Hebamme von Stillberaterinnen, niemand ist da, der der Frau einfach zuhört, der Mann kann das oft nicht auffangen.

Hohe Kosten

Und warum ist das so? Hebammen tragen immens hohe Kosten und verdienen im Vergleich zu dem, was sie leisten sehr wenig. Eine Hebamme, die freiberuflich Geburten betreut zahlt aktuell 8000€ Haftpflichtprämie im Jahr, allein dieses Geld muss erstmal verdient werden und es ist zehnmal mehr als noch im Jahr 2002. Und was verdient eine Hebamme nun? Wenn sie im öffentlichen Dienst arbeitet kann sie es auf 2800€ brutto bringen. Eine freiberufliche Hebamme lebt von den Frauen, die sie versorgt. So bekommt sie pro Wochenbettbesuch knappe 30€, für eine Stunde Geburtsvorbereitung sogar nur 6€ pro Frau. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass sie davon neben der Versicherung auch noch Praxisräume, Material, ein Auto und oft auch noch Kursräume zahlen muss.

Arbeitsbedingungen einer Hebamme an den Kliniken

Die Arbeitsbedingungen in den wenigen verbleibenden Geburtsstationen ist alles andere als optimal. Hebammen betreuen oft drei Frauen parallel. Nicht selten sind es sogar vier oder mehr. Ich habe erst kürzlich von einer Hebamme gehört, dass sie gelernt hat für 12 Stunden oder länger nicht zur Toilette zu gehen, von Essen und Trinken wollen wir gar nicht erst sprechen. Auch Überstunden bei der nicht gerade guten Bezahlung sind keine Seltenheit. Da ist es nicht verwunderlich, dass immer weniger Frauen sich für diesen Beruf entscheiden.

Hebammenausbildung nur noch an Hochschulen

Spätestens ab dem Jahr 2020 dürfen Hebammen nur noch an Hochschulen ausgebildet werden. Dies setzt eine Schulbildung von mindestens 12 Jahren voraus. Somit wird der Zugang zu diesem Beruf denjenigen verwehrt, die sich für eine Mittlere Reife oder einen Hauptschulabschluss entscheiden.

 

Was kann ich tun

Wir können über jede Hebamme dankbar sein, die heute noch diesen Beruf ergreift oder ausübt. Und wir müssen laut und deutlich sagen, dass wir dabei nicht mehr mitmachen. Wir Frauen haben ein Recht auf eine Hebamme und diese ein Recht auf eine faire und angemessene Bezahlung. Doch was genau können wir tun um dieses Recht durchzusetzen?

Die Seite des Deutschen Hebammenverbandes hat einige Möglichkeiten zu reagieren und Unrecht aufzuzeigen. Hier können Frauen eine Unterversorgung melden und so helfen aufzuzeigen wie groß das Problem ist. Des weiteren findet sich dort eine Briefvorlage für die Krankenkasse um genau dort das Problem zu adressieren.

Aus obigen Informationen entsteht eine Landkarte der Unterversorgung, die schon jetzt ein erschreckendes Bild zeigt. Ebenso ist dort eine Landkarte mit geschlossenen oder von der Schließung bedrohten Kreissäalen und Geburtsstationen zu finden.

Aber auch Positivbeispiele werden dort aufgelistet. So erzählen Frauen unter der Rubrik „Zuhause geboren“ von ihrer Hausgeburt. Berichte, die Mut machen und aufzeigen, dass diese früher durchaus übliche Art der Geburt keinesfalls gefährlich ist.

Aber auch für Frauen, die sich für eine Geburt in einer Klinik entscheiden, gibt es einen Klinikfragebogen, mit welchem sie schon beim Erstgespräch oder Informationsabend sicherstellen können, dass immer dann eine Hebamme für sie zur Verfügung steht, wenn sie diese benötigen.

Es lohnt sich in jedem Fall, sich auf der Seite des Hebammenverbandes umzusehen und sich über aktuelle Aktionen zu informieren. Vielleicht haben wir heute noch eine Hebamme bekommen, aber wir wollen doch auch, dass unsere Tochter oder unsere Schwiegertochter später einmal auch auf Hebammenhilfe zurückgreifen kann. Denn:

Unsere Hebammen brauchen uns und wir sie!

2 Gedanken zu “Natürlich schwanger – Das Recht auf eine Hebamme

  1. Danke für die interessanten Infos! Da ich schon länger nicht mehr in Deutschland lebe und dort auch kein Kind auf die Welt gebracht habe, höre ich nur immer wieder und in der letzten Zeit auch vermehrt über die verheerenden Zustände. Traurig!!! Obwohl es hier in Österreich langsam aber sicher auch schlimmer wird. Hier in meinem Landkreis befinden sich nur zwei freiberufliche Hausgeburtshebammen und die werden die nächsten Jahre in Pension gehen. Nachwuchs Fehlanzeige. Wer so eine Hebamme in Anspruch nehmen will, muss schon bei positiven SS-Test anrufen, aber meistens braucht man ja eine Zeit um sich über alles im klaren zu werden. Ein Dilemma… 😦

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