Natürlich schwanger – Das Geschäft mit der Angst

Der weibliche Körper ist dazu gemacht Kinder auszutragen, zu gebären und zu säugen. Es kommt immer wieder vor, dass das nicht klappt. Manchmal passen die Partner nicht zusammen, manchmal stimmt etwas anderes nicht. Dann gibt es noch die Fälle, in denen ein Kind nicht ganz gesund zur Welt kommt und leider auch die, in denen Kinder uns wieder verlassen bevor sie reif waren geboren zu werden. So traurig all diese Fälle und Einzelschicksale sind, sie begleiten uns durch unser Geschichte.

Immer wieder sind Menschen in meinem Umfeld entsetzt, wenn ich auf die Ansage „Hauptsache gesund“ entgegne, dass es mir schon reicht, dass das Kind die Schwangerschaft überlebt und geboren werden darf. In unserer Leistungsgesellschaft, in der schon Kinder besser und toller als ihre Altersgenossen sind ist ein besonderes Kind für viele Menschen eine Schande.

Und genau mit dieser Angst wird Kasse gemacht. Immer mehr Frauenärzte bieten ein Ultraschallpaket an, damit die Schwangere mindestens alle vier Wochen Baby-TV schauen kann. Immer häufiger gibt es auch das Angebot einer zusätzlichen Kontrolle zwischen den regulären Terminen, damit man gerade in den ersten 12 Wochen sehen kann, ob das Kind noch lebt oder nicht. Und ganz wichtig sind dann die sogenannten IGeL-Leistungen, wie die Nackenfaltenmessung, 3D-Ultraschall und besondere Organscreenings.

Mir war schon in der ersten Schwangerschaft klar, dass ich das Kind so bekomme wie es ist und dass ich keinerlei Zusatzuntersuchungen brauchte. Selbst als ich sehr früh eine Blutung bekam war für mich nur wichtig, die nötige Krankschreibung zu bekommen und lebensgefährliche Gründe für das Baby und mich auszuschließen. Gute 18 Monate nach der Geburt der Tochter bin ich erneut schwanger geworden und war mir noch sicherer als in der letzten Schwangerschaft, ich mach bei dem Angst-Zirkus nicht mehr mit. Ich möchte alle Vorsorgeuntersuchungen, außer der drei regulären Ultraschalluntersuchungen bei meiner Hebamme machen. In einer vertrauten, heimeligen Atmosphäre und mit ganz einfachen Mitteln. Doch meine Frauenärztin machte mir einen Strich durch die Rechnung, unterstellte mir ich würde sie zum Abrechnungsbetrug verleiten und wäre sowieso extrem leichtsinnig. Denn selbst wenn ich keine Zusatzleistung kaufen würde, müssten wir sicherstellen, dass das Kind nicht behindert ist. Und dann schauen in welchem Krankenhaus ich überhaupt entbinden kann, denn ein besonderes Kind kann man nicht überall zur Welt bringen. Überhaupt ist die Geburt ja ein Risiko.

Ich bin so froh, dass ich genau weiß was ich will und mich mit dem Thema sehr gut auskenne. Doch wie ist das für eine Frau, die eben nicht dieses Wissen hat? Die vielleicht ihr erstes Kind erwartet und nicht das Glück hat Freunde zu haben wie ich, die eine ähnliche Einstellung zu Schwangerschaft und Geburt haben? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diesen Frauen sehr schnell Angst und Bange wird und sie sofort überzeugt sind, dass das Kind stirbt oder schwer behindert zur Welt kommt, wenn sie nicht all diese zusätzlichen Dinge tut beziehungsweise kauft.

Immer wieder höre ich von Frauen, die sich wochenlang vor dem anstehenden Zuckertest (welcher nicht verpflichtend ist, aber von fast allen Ärzte durchgeführt wird) fürchten, denn sie haben gehört, dass andere Frauen bei diesem in Ohnmacht gefallen sind oder sich mehrmals hätten übergeben müssen. Sie haben Angst vor dem Organscreening, Angst davor, dass etwas nicht so sein könnte wie es soll. Und überhaupt haben sie Angst vor der Geburt, denn die wird mit Sicherheit schlimm und voller Schmerz sein.

Viele dieser Frauen lassen sich von dem leiten, was ihnen ihr Arzt sagt. Auch heute noch sind Ärzte für viele Menschen Götter in weiß, sie haben immer und in jedem Punkt recht. Eine Hebamme dagegen ist in den Augen vieler nur eine Gehilfin bei der Geburt. Sie reicht die Handtücher, um das Baby darin einzuwickeln.

Hinzu kommt, dass Hebammen für viele Menschen viel zu alternativ sind. Was soll ein Tee helfen, wenn auch ein Medikament genommen werden kann. Warum soll man sich ausbremsen und achtsam mit sich selbst sein, wenn doch der Arzt einen ganz einfach mal krank schreiben kann. Warum sollte man das enorme Risiko eingehen, die Vorsorge durch eine Hebamme durchführen zu lassen, die „nur“ abtastet und eventuell nach den kindlichen Herztönen hört.

Für viele Menschen ist es nicht verständlich, wie eine Frau sich in die extreme Gefahr begeben kann und ihr Kind daheim zur Welt kommen lassen möchte. Da sind doch schwere Schäden bei Kind und Mutter vorprogrammiert, es ist kein Fachpersonal anwesend und sowieso ist das alles sehr leichtsinnig.

Uns hat bei den vielen Entscheidungen für und gegen gewisse Untersuchungen und Maßnahmen folgende Frage geholfen: Wird sich dadurch etwas ändern? Bzw. können wir dadurch etwas ändern?

Man kann alle 2-3 Wochen zum Ultraschall gehen aber was ändert sich dadurch? Erstmal nichts, das Kind entwickelt sich auch ohne Ultraschall und es gibt der Mutter die Chance ein gesundes Vertrauen in ihre Schwangerschaft zu entwickeln anstatt die Verantwortung für sich und ihr Baby an die Kontrolle durch Mediziner abzugeben.

Es ist technisch möglich einen Test zu machen, der eine Wahrscheinlichkeit ermittelt, mit der das Ungeborene eine Chromosomenstörung hat. Aber wenn das Ergebnis des Tests keine Auswirkung hat und ich die Schwangerschaft auf Grund des Ergebnisses nicht abbrechen möchte, kann ich den Test auch lassen. Ich finde diesen Test persönlich auch sehr schwer zu bewerten, denn was bedeutet es für die Frau, das Kind und die Familie, dass kein Kind zu 10, 30, 50 oder 80% eine Chromosomenstörung hat..?

Egal für welche Untersuchungen man sich in oder auch vor der Schwangerschaft entscheidet, man sollte auch immer wissen, was man mit dem Ergebnis anfangen möchte.

Es ist eine traurige Entwicklung, dass Angst eine solch zentrale Rolle im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt bekommt. Frauen wird dabei fast systematisch diese Angst vermittelt, so dass sie nicht mehr erkennen, was normal und natürlich ist und was es wirklich braucht. Dass sie so sehr von anderen Menschen und „macht man eben so“ geleitet werden, anstatt auf sich und ihre innere Überzeugung zu hören. Es ist so wichtig, dass mehr Frauen wieder Mut bekommen und darauf vertrauen, dass Kinder bekommen ganz natürlich ist. Dass eine Geburt nichts ist, das einen oder mehrere Ärzte bedarf und dass sie sich nicht in Gefahr bringt.

5 Gedanken zu “Natürlich schwanger – Das Geschäft mit der Angst

  1. Danke, liebe Claudia, für diesen wunderbaren Artikel! Ja, Wissen ist Macht. Wenn wir nicht wissen, was im Gesetz steht, lassen wir uns leicht verunsichern. Ich teile deine Ansicht in sehr vielen Dingen, und alles kumuliert tatsächlich auf die Frage: Macht das Wissen einen Unterschied?
    Ich werde den Artikel liebend gern weiterverbreiten!

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  2. Schöner, sehr authentischer Beitrag:) Ich glaube, es kommt sehr auf die Persönlichkeit an. Ich wollte die Untersuchungen auch nicht – vor allem, weil ich Angst um meine Babys hatte. Andererseits hatte ich eine Freundin, die war Anfang 40 und hatte große Angst vor der gesamten Schwangerschaft. Wenn dann eine Frau schon so unsicher ist, dann macht sie viel eher Untersuchungen.

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  3. Hallo. Der Beitrag könnte von mir geschrieben sein. Ich stimme dir in vollem Umfang zu. Es ist schön zu sehen, dass es noch mehr Frauen gibt, die sich und ihre Schwangerschaft nicht „vermedizinern“ lassen. Man kommt sich ja mittlerweile vor wie ein Außerirdischer.

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